Sonntagmorgen. Bleierner Himmel über der Stadt Lausanne. In den Savoyer Alpen regnet es. Weisse Schaumkronen krönen die Genferseewellen. Ich mache mich auf, neun neue Gemeinden im Westen und Nordwesten der Waadtländer Metropole zu erobern: Renens, Chavannes-près-Renens, Ecublens, Echandens, Denges, Lonay, Bremblens, Romanel-sur-Morges und Aclens. In Lausannes Strassen liegt haufenweise Abfall. Kleider, Elektrogeräte, Verpackungen, Lebensmittelresten. Es ist ein Graus.
In Chavannes plagt mich der Hunger. Und genau dort, wo ich es am wenigsten erwartet hätte, steht eine Quartierbäckerei und hat sogar geöffnet. Ich kaufe mir einen Käsekuchen mit Speckwürfel, den man mir in der Mikrowelle auf die perfekte Sofort-Ess-Temperatur wärmt.
Industriezonen folgen sich nun im Zehnminutentakt. Kurz vor Echandens unterquere ich Eisenbahn und Autobahn, ehe ich die Venoge überquere. Sanft ansteigend nähere ich mich dem Château d'Echandens, das über einem gelb leuchtenden Rebberg thront. Mit Erstaunen stelle ich fest, dass der Schlosspark öffentlich zugänglich ist. Das Gebäude macht einen erhabenen Eindruck. An Schönwettertagen muss die Aussicht von den oberen Stockwerken phänomenal sein. Das Schloss wurde im 16. und 17. Jahrhundert auf den Grundmauern einer mittelalterlichen Burg erbaut. Es zeigt eine Stilmischung aus Spätgotik und Renaissance und ist mit zahlreichen Türmchen, einem polygonalen Treppenturm und einem Renaissanceportal ausgestattet. Das Schloss ist seit 1978 Eigentum der Gemeinde. Nebst der Gemeindeverwaltung befindet sich hier der Sitzungsraum des Gemeinderates. Von 1957–63 bewohnte der belgische Schriftsteller Georges Simenon (1903–89), der es mit seinen Maigret-Romanen zu Weltruhm brachte, die Gemächer des historischen Gebäudes.
Das Schloss der Waadtländer Gemeinde Echandens von Osten. |
Einmal mehr führt mich das Gemeindebewanderungsprojekt an einen Ort, den ich vermutlich sonst nie besucht hätte. Dass es sich um den Wohnsitz des Lieblingsautors meiner Jugendzeit handelt, verleiht dieser Wanderung eine spezielle Note. Vergessen sind die vermüllten Strassen Lausannes, vergessen die tristen Industriegebiete und Mietskasernen der letzten Stunde. Beschwingten Schrittes entferne ich mich in Richtung Provinz und durchquere kleine Bauern- und Winzerdörfer, ehe ich an der verlottert wirkenden S-Bahn-Station von Vufflens-la-Ville die Bahn zurück nach Lausanne besteige.
Weitere Bilder dieser mitunter skurrilen Wandertat gibt es auf meiner Fotoseite.
Weitere Bilder dieser mitunter skurrilen Wandertat gibt es auf meiner Fotoseite.
Das Château d'Echandens (VD) ist heute Eigentum der Gemeinde Echandens. |