von Karl Spazier, 1790
Was von den Holbeinischen Arbeiten den grössten Eindruck auf mich machte, war die Reihe von Gemälden, welche die Leidensgeschichte vorstellen, und unter diesen besonders Christus mit den schlafenden Jüngern am Ölberg. Sodann das Stück, wo Judas im Begriff ist, seinen Herrn zu küssen, und wo Petrus mit wahrer neuern Reformatorhitze in das Ohr des Malchus, das ihm nichts getan hat, ritterlich einhaut. Schade, dass der anachronistische Holbein Bogen und Pfeile angebracht, und die Kleider hie und da mit Gold überzogen hat. Sonst sind die Lebhaftigkeit der Farben, das Helldunkel und der kräftige Ausdruck zum Bewundern schön. Das sechste Stück schien mir zu grell und überladen, der Himmel zu wenig perspektivisch und die Wolken unnatürlich; aber das siebente und achte sind ohne allen Vergleich die schönsten.
Die Bildnisse des Erasmus und Luther sind unvergleichlich, so auch das Abendmahl, das er in seinem sechzehnten Jahre, gemalt haben soll. In dem Gesichte und der Lage des Johannes ist ungemein viel Edles und jugendlich Schönes; sein herziges Anschmiegen an seinen Lehrer und das Falten der Hände, die er traulich und zutrauensvoll auf ihm ruhen lässt, sind sprechend. Aber der Judas ist zu abscheulich; ein völlig dahin gegebener Sünder. Mir scheint das nicht Wahrheit. Mit einem solchen Buben, den die Natur mit unauslöschlichem Stempel zu einer der verworfenen Kreaturen gestempelt hatte, kann Christus unmöglich, vertrauten Umgang gehabt, noch ihm gar Hauptgeschäfte seiner Gesellschaft aufgetragen haben. Man sieht aber, wie er bei der Frage: «Bist du es?», als ein plötzlich aufgeschreckter Schelm vor Furcht den Bissen nicht zum Munde bringen kann, und mit unsicherer Hand sich ängstlich an den Tisch hält. Nur Schade wieder, Judas, der doch gewiss nicht katholisch war, fängt an, den Rosenkranz zu beten.
Der Leichnam Christi, der über einer Türe auf einem Leichentuch hingestreckt daliegt, wird von manchem sehr gepriesen, und der Verfasser, der sonst trefflichen Reisen durch Helvetien meint, man würde dabei von Bewunderung, und wenn man ihn mit christlichen Augen betrachte, von Religion durchdrungen. Ich muss aber gestehen, dass ich so unreligiös war, bei dieser ekelhaften Natürlichkeit einen Schauer zu empfinden; nicht eine Minute konnte ich dabei aushalten. Die Religion hat Interessantes genug, aber ganz anderer Art. Warum will man durch blutende Leichname die Eingeweide empören? Hätte man doch die tausend Dukaten, die man für dieses Stück geboten haben soll, genommen und zu einem Fond für Landschulmeister verwendet! Das wäre in alle Wege religiöser gewesen. – Fortsetzung folgt!
Was von den Holbeinischen Arbeiten den grössten Eindruck auf mich machte, war die Reihe von Gemälden, welche die Leidensgeschichte vorstellen, und unter diesen besonders Christus mit den schlafenden Jüngern am Ölberg. Sodann das Stück, wo Judas im Begriff ist, seinen Herrn zu küssen, und wo Petrus mit wahrer neuern Reformatorhitze in das Ohr des Malchus, das ihm nichts getan hat, ritterlich einhaut. Schade, dass der anachronistische Holbein Bogen und Pfeile angebracht, und die Kleider hie und da mit Gold überzogen hat. Sonst sind die Lebhaftigkeit der Farben, das Helldunkel und der kräftige Ausdruck zum Bewundern schön. Das sechste Stück schien mir zu grell und überladen, der Himmel zu wenig perspektivisch und die Wolken unnatürlich; aber das siebente und achte sind ohne allen Vergleich die schönsten.
Die Bildnisse des Erasmus und Luther sind unvergleichlich, so auch das Abendmahl, das er in seinem sechzehnten Jahre, gemalt haben soll. In dem Gesichte und der Lage des Johannes ist ungemein viel Edles und jugendlich Schönes; sein herziges Anschmiegen an seinen Lehrer und das Falten der Hände, die er traulich und zutrauensvoll auf ihm ruhen lässt, sind sprechend. Aber der Judas ist zu abscheulich; ein völlig dahin gegebener Sünder. Mir scheint das nicht Wahrheit. Mit einem solchen Buben, den die Natur mit unauslöschlichem Stempel zu einer der verworfenen Kreaturen gestempelt hatte, kann Christus unmöglich, vertrauten Umgang gehabt, noch ihm gar Hauptgeschäfte seiner Gesellschaft aufgetragen haben. Man sieht aber, wie er bei der Frage: «Bist du es?», als ein plötzlich aufgeschreckter Schelm vor Furcht den Bissen nicht zum Munde bringen kann, und mit unsicherer Hand sich ängstlich an den Tisch hält. Nur Schade wieder, Judas, der doch gewiss nicht katholisch war, fängt an, den Rosenkranz zu beten.
Der Leichnam Christi, der über einer Türe auf einem Leichentuch hingestreckt daliegt, wird von manchem sehr gepriesen, und der Verfasser, der sonst trefflichen Reisen durch Helvetien meint, man würde dabei von Bewunderung, und wenn man ihn mit christlichen Augen betrachte, von Religion durchdrungen. Ich muss aber gestehen, dass ich so unreligiös war, bei dieser ekelhaften Natürlichkeit einen Schauer zu empfinden; nicht eine Minute konnte ich dabei aushalten. Die Religion hat Interessantes genug, aber ganz anderer Art. Warum will man durch blutende Leichname die Eingeweide empören? Hätte man doch die tausend Dukaten, die man für dieses Stück geboten haben soll, genommen und zu einem Fond für Landschulmeister verwendet! Das wäre in alle Wege religiöser gewesen. – Fortsetzung folgt!