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Channel: Der Schrittler
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Wanderungen durch die Schweiz – 105

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von Karl Spazier, 1790

Reise nach der Insel St. Pierre und nach Pierre Pertuis

Man kann nicht wissen, wozu manchmal das Disputieren gut ist. Hätte nicht ein Engländer Offizier, ein wackerer junger Mann, mit mir ein freimütiges Gespräch über einige Angelegenheiten der Menschheit begonnen, so würde ich nicht in die Gegend von Biel und nach Pierre Pertuis gekommen sein, denn mein Plan war anders. Sein Vater, ein verdienter Berner Patrizier, der an einer so zweideutigen Gabe, als die Disputierkunst ist, noch dies und jenes Gute anzuknüpfen kein Bedenken trug, bat sich zu dieser kleinen Nebenreise meine Gesellschaft aus. Das ist nun an sich sehr unwichtig. Aber ich will es auch nur um des guten Rats willen gesagt haben, den ich jedem Reisenden gebe, solche zufälligen Erleichterungen in einem Lande nicht zu verschmähen, wo man nicht genug sehen und nicht genug bezahlen kann.

Wir fuhren an einem frühen Morgen aus Bern. Ein nächtlicher Regen hatte Kühlung und frisches Leben über das Land ausgegossen, und ich genoss abermals das Vergnügen, mich an dem verlegenen Zaudern der Nebelwolken zu weiden, welche die Berge in schmeichlerischer Zudringlichkeit so lange umfangen hielten, bis die hervorbrechende Morgensonne mit jedem neuen Heldenschritt am Horizont sie wieder weiter in die Täler zurück jagte. Eine wahre grosse Opernszene!

Allmählich kommt man bergan, da man denn über die Stadt hinweg nach einigen Gebirgen des Oberlandes im Hintergrunde einen schönen Rückblick hat. Aber ungemein reizend wird die Aussicht auf dem Frienisberg. Hier sieht man eine grosse Strecke vom Jura, gerade aus bis tief in das Val de Travers hinein, den See von Neuchâtel und die Stadt, die an ihm wie angedrängt liegt und weiter rechts einen Teil des Bielersees. Schöne grosse Dörfer, wie Siselen, Ins und die Vogtei* Friensberg, die hart am Fuss des Berges liegt, dekorieren die Landschaft ungemein. – Fortsetzung folgt!

*Spazier benutzte im Originaltext den Begriff Balley, was jedoch nicht der eigentlichen Bedeutung des ehemaligen Zisterzienserklosters entsprach. Zur Zeit von Spaziers Durchreise und bis 1798 diente das Gebäude dem Landvogt. [Anm. Moor]

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