von Karl Spazier, 1790
Meinen Gefährten hielten Geschäfte irgendwo auf, und ich wanderte unterdessen eine Wegstunde alleine voran. Unterwegs kam ich vor einem Trupp Bauern vorbei, die im Felde arbeiteten. Ich grüsste sie vielleicht mit grösserem Anstand und Manier, als sie nach ihrem Bauernsinn erwarten mochten, und fragte sie etwas hastig nach dem Wege. Da sie mich nicht zu verstehen schienen, und auf ihren Spaten gelehnt in einer sonderbaren Gruppe unbeweglich blieben und mich durchdringend ansahen, ging ich fürbass*. Kaum war ich im Gange, so hörte ich sie einander etwas zumurmeln. Hinter mir her erschallte sodann ein Gelächter und sie schrien aus allen Kräften:
«Franzose! Franzose!»
Das hatte ich nun schon öfter gehört, aber nicht geglaubt, dass auch mir einmal diese Ehre widerfahren sollte. Ich ging also ungestört weiter. Kaum aber war ich in einer einsamen Gegend, wo ich mich gedankenvoll an den Zaun eines dichten Gehölzes lehnte und schrieb, so kam einer von ihnen mir nachgeschlichen, wandte sich bald links bald rechts, und liess mich nicht aus den Augen. Er hatte einen Spaten in der Hand, auf welchen er sich zuweilen forschend stützte, und mich so mit geschärfter Aufmerksamkeit in einem fort betrachtete. Ich rührte mich nicht von der Stelle. Endlich rückte er näher. Sein Gesicht war trotzig, seine Gebärden hatten gymnastischen Nachdruck, und in kecker Stellung stemmte er sich grade vor mir hin, sah mir unverschämt ins Gesicht und sagte in derbem Akzent:
«Wasch macht dä Härr hiä?»
«Ich schreibe.»
Er stand wieder ein Weilchen und überlegte. Nun folgte eine kurze Szene wobei ich, aufrichtig gestanden, eine ziemlich untergeordnete Rolle spielte, wodurch mir durch den Kraftmann bedeutet wurde, ich sei ein Preusse und noch dazu ein Geistlicher, wozu den hinreichenden Grund zu finden ich getrost dem Charakter meines gelockten Haars überliess. Das traf. Alsbald zog er den Hut ab und ging mit einem freundlichen: «Behüet äch Ghott wohl!» von dannen. Den Franzosen aber, hätte er den in mir gefunden, hätte Gott behüten mögen vor der Kraft seiner Gebeine!
So geht es aber in der Welt. Wenn man sich einander nur verständlich macht, sollten die Argumente auch aus den Haaren fallen, so hat es mit dem Glauben gute Wege. Aber gewöhnlich wollen die Menschen sich an Hals und Beine, ehe die Glaubensartikel erörtert sind. – Fortsetzung folgt!
*weiter, vorwärts [Anm. Moor]
Meinen Gefährten hielten Geschäfte irgendwo auf, und ich wanderte unterdessen eine Wegstunde alleine voran. Unterwegs kam ich vor einem Trupp Bauern vorbei, die im Felde arbeiteten. Ich grüsste sie vielleicht mit grösserem Anstand und Manier, als sie nach ihrem Bauernsinn erwarten mochten, und fragte sie etwas hastig nach dem Wege. Da sie mich nicht zu verstehen schienen, und auf ihren Spaten gelehnt in einer sonderbaren Gruppe unbeweglich blieben und mich durchdringend ansahen, ging ich fürbass*. Kaum war ich im Gange, so hörte ich sie einander etwas zumurmeln. Hinter mir her erschallte sodann ein Gelächter und sie schrien aus allen Kräften:
«Franzose! Franzose!»
Das hatte ich nun schon öfter gehört, aber nicht geglaubt, dass auch mir einmal diese Ehre widerfahren sollte. Ich ging also ungestört weiter. Kaum aber war ich in einer einsamen Gegend, wo ich mich gedankenvoll an den Zaun eines dichten Gehölzes lehnte und schrieb, so kam einer von ihnen mir nachgeschlichen, wandte sich bald links bald rechts, und liess mich nicht aus den Augen. Er hatte einen Spaten in der Hand, auf welchen er sich zuweilen forschend stützte, und mich so mit geschärfter Aufmerksamkeit in einem fort betrachtete. Ich rührte mich nicht von der Stelle. Endlich rückte er näher. Sein Gesicht war trotzig, seine Gebärden hatten gymnastischen Nachdruck, und in kecker Stellung stemmte er sich grade vor mir hin, sah mir unverschämt ins Gesicht und sagte in derbem Akzent:
«Wasch macht dä Härr hiä?»
«Ich schreibe.»
Er stand wieder ein Weilchen und überlegte. Nun folgte eine kurze Szene wobei ich, aufrichtig gestanden, eine ziemlich untergeordnete Rolle spielte, wodurch mir durch den Kraftmann bedeutet wurde, ich sei ein Preusse und noch dazu ein Geistlicher, wozu den hinreichenden Grund zu finden ich getrost dem Charakter meines gelockten Haars überliess. Das traf. Alsbald zog er den Hut ab und ging mit einem freundlichen: «Behüet äch Ghott wohl!» von dannen. Den Franzosen aber, hätte er den in mir gefunden, hätte Gott behüten mögen vor der Kraft seiner Gebeine!
So geht es aber in der Welt. Wenn man sich einander nur verständlich macht, sollten die Argumente auch aus den Haaren fallen, so hat es mit dem Glauben gute Wege. Aber gewöhnlich wollen die Menschen sich an Hals und Beine, ehe die Glaubensartikel erörtert sind. – Fortsetzung folgt!
*weiter, vorwärts [Anm. Moor]