Ich habe grundsätzlich nichts gegen Hunde, ganz im Gegenteil, ich finde Hunde faszinierend und mag sie gut. Doch, welcher Wanderer, welche Wanderin kann nicht ein Liedchen davon singen! Was heisst EIN Liedchen! Ein ganzes Repertoire an Hundebegegnungen mit dem stereotypen Einwurf des Hundebesitzers oder der Hundebesitzerin: «Är macht nüüt/sie macht nüüt!» Solche Sätze gehörten ins Zivilgesetzbuch als Straftatbestand und somit in die Bussenordnung. Das klingt wie: «Das hier ist zwar eine geladene Pistole, aber keine Angst, selbst wenn ich auf Sie ziele, ist das nicht gefährlich.» Nein, wieso denn auch, wieso? Solange ich nicht abdrücke oder damit herumfuchtle besteht absolut kein Grund zur Panik.
Weshalb dieses «Är-macht-nüüt!» dennoch bei Strafe verboten gehört, dafür sprechen die Statistiken, denn:
1. Beissen Hunde häufiger als angenommen.
2. Schnappen kleinere Hunde häufiger zu als grosse.
3. Schrecken Hunde selbst vor dem eigenen Herrchen nicht zurück.
4. Die Tendenz an Hundebissen nimmt eher zu als ab.
Dennoch gilt es zu relativieren, denn, wie wir wissen, soll man keiner Statistik trauen, die man nicht selber gefälscht hat. Was heisst dies? Die Hundebissstatistiken in der Schweiz variieren in ihren Zahlen sehr stark. Einerseits ist es die veröffentlichende Stelle. Die Suva-Statistik weist bedeutend weniger Vorfälle als z.B. diejenige des BVET, des Bundesamtes für Veterinärwesen auf. Wem also glauben? Hinzu kommt eine vermutlich nicht unerhebliche Dunkelziffer. Nicht jeder Hundebiss wird medizinisch behandelt und ergo den entsprechenden Statistikern gemeldet. Soweit so gut. Statistiken interessieren den von einem Waldi, Fido oder Hasso akut Bedrohten wenig. In solchen Situation sind Strategien und Verhaltensweisen gefragt. Und auch sie variieren erheblich. Nicht jeder Hund tickt gleich. Schreie ich herum, zieht der eine den Schwanz ein und haut ab, wohingegen ein anderer erst recht seine Attacke zu reiten beginnt. Wobei: Viele Hundebisse erfolgen oft ohne Vorgeplänkel. Ehe sich der Mensch versieht, klafft der Gebissabdruck in der Wade. Fiese Hunde greifen ansatzlos an. Kein Bellen, kein Knurren, kein Sträuben der Nackenhaare.
Der Är-macht-nüüt-Hund ist indes jener, der in der Tat bislang noch nie einer Fliege etwas zu Leide getan hat. Aber bekanntlich ist irgendwann das erste Mal. Dumm, wenn es dann genau mich oder dich trifft. Oft ist dann Herrchen oder Frauchen so verblüfft, dass sie sich vorerst einmal um den Missetäter/die Missetäterin (das wären eigentlich sie selbst, aber das ist ein anderes Thema) kümmern, ihn, wenn überhaupt, zusammenstauchen, ehe sie sich, wenn überhaupt dem Opfer widmen. In den Augen des Hundehalters ist das Opfer meist selber schuld. Mir wurde zum Beispiel schon gesagt: «Wissen Sie, sie hat halt einfach Angst vor Männern.» Oder: «Bei Menschen mit Hut wird sie agressiv.» In der Regel folgen keine Fragen nach dem Wohlbefinden der attakierten Person. Selbst eine Entschuldigung scheint den Hundebesitzern vielfach nicht angebracht.
Besonders interessant zu wissen: Ob ein Hund beisst oder nicht, hängt nicht zwingend von der Rasse ab. Die Aargauer Kantonstierärztin Erika Wunderlin bestätigt dies: «Wir haben festgestellt, dass alle Hunden beissen können, ungeachtet der Rasse. Diese Bissvorfälle haben sehr wenig mit Listenhunden zu tun.» Listenhunde sind z.B. Pitbulls oder Rotweiler. Wie doof der Är-macht-nüt-Ausspruch ist, beweist die Tatsache, dass Hunde in nicht wenigen Fällen die eigenen Familienmitglieder beissen. Der Fachmann spricht hier von sogenannten «Protestbissen», wenn der Hund zu einem Verhalten gezwungen wird, das er nicht will. Die Aargauer Kantonstierärztin empfiehlt daher allen Haltern, eine gute Hundeschule und Erziehungskurse zu besuchen, damit man den eigenen Hund gut kennenlernen kann. Denn, das sei doch noch nachgeschoben, das Problem liegt, wir wissen es, nicht beim Tier sondern bei den Är-macht-nüt-Menschen.
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