von Karl Spazier, 1790
Was mir in der Bibliothek noch ein besonderes Vergnügen machte, sind zwei pädagogische Einladungsschilde von 1515, von Holbein gemalt, die man, weil sie ehemals auf den beiden Gegenseiten eines Brettes gemalt waren, des bessern Überblicks wegen in der Fläche auseinandergesägt hat. Eins ist für einen Schulmeister, das andere für einen Schreib-, und Rechenmeister; beide mit ganz altdeutscher Schrift. Ich denke, es wird in diesem letzten Viertel unsrer Pädagogischen Zeiten wohl noch erlaubt sein, wenigstens eins davon, das ich abzuschreiben nur Zeit hatte, in aller Naivität hierher zu setzen:
«Wer jemand hie der gern welt lernen dütsch schreiben und lässen, utz (aus) den allerkürzisten Grundt, den jeman erdenken kann do durch ein jeder der vor (zuvor) nüt ein Buchstaben kan, der mag kürzlich un baldt begriffen ein Grundt do durch er mag von im (ihm) selber lernen sein schuld uff schreiben und lässen: und wer es nicht gelernen kan so ungeschickt were, den will ich umb nüt (nichts) und vergeben gelernt han, und ganz nüt von jm zu lon nemen. er syg wer er wolle, bürger auch handwercks gsellen, frowen und jounckfrouwen. Wer sin (dessen) bedarf, der kum, här jn (herein) der wird drüvlich (treulich) gelert um ein ziemlichen lon. Aber die junge Knaben und Meitlin nach, den trouuesten (am treusten) wie gewohheit jst. Anno MIIIIIIXV.»
Wie Gewohnheit ist! – Welch treuherziger Ton und Stil! Unser jetziger Philanthropenstil klingt dagegen ganz anders. Man ist heutiges Tages noch etwas mehr zuversichtlich, schreibt runder und lässt sich pränumerieren*. – Fortsetzung folgt!
*Zum Voraus bezahlen. [Anm. Moor]
Was mir in der Bibliothek noch ein besonderes Vergnügen machte, sind zwei pädagogische Einladungsschilde von 1515, von Holbein gemalt, die man, weil sie ehemals auf den beiden Gegenseiten eines Brettes gemalt waren, des bessern Überblicks wegen in der Fläche auseinandergesägt hat. Eins ist für einen Schulmeister, das andere für einen Schreib-, und Rechenmeister; beide mit ganz altdeutscher Schrift. Ich denke, es wird in diesem letzten Viertel unsrer Pädagogischen Zeiten wohl noch erlaubt sein, wenigstens eins davon, das ich abzuschreiben nur Zeit hatte, in aller Naivität hierher zu setzen:
«Wer jemand hie der gern welt lernen dütsch schreiben und lässen, utz (aus) den allerkürzisten Grundt, den jeman erdenken kann do durch ein jeder der vor (zuvor) nüt ein Buchstaben kan, der mag kürzlich un baldt begriffen ein Grundt do durch er mag von im (ihm) selber lernen sein schuld uff schreiben und lässen: und wer es nicht gelernen kan so ungeschickt were, den will ich umb nüt (nichts) und vergeben gelernt han, und ganz nüt von jm zu lon nemen. er syg wer er wolle, bürger auch handwercks gsellen, frowen und jounckfrouwen. Wer sin (dessen) bedarf, der kum, här jn (herein) der wird drüvlich (treulich) gelert um ein ziemlichen lon. Aber die junge Knaben und Meitlin nach, den trouuesten (am treusten) wie gewohheit jst. Anno MIIIIIIXV.»
Wie Gewohnheit ist! – Welch treuherziger Ton und Stil! Unser jetziger Philanthropenstil klingt dagegen ganz anders. Man ist heutiges Tages noch etwas mehr zuversichtlich, schreibt runder und lässt sich pränumerieren*. – Fortsetzung folgt!
*Zum Voraus bezahlen. [Anm. Moor]